Page 1 - Willy Blaser - Mabuhay
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Indien / Thailand / Laos (RB15 / 16.12.2001)


Kalkutta liegt am Ganges…


Dass mir die Sicht auf die Berge nur für wenige Sekunden gegönnt wurde, fuxt mich dennoch.
Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als nochmals nach Darjeeling zurück zu kehren.
In Kurseong verlassen wir die Hauptstrasse und folgen einer Nebenstrasse, die uns durch
grosse Teeplantangen führt. Hier ist der Casteon Tea Estate, der Champagner unter den Tees
zu Hause. Die Fahrt hinunter in die Ebene nach Siliguri erscheint wesentlich steiler und
kurviger als bei der Hinfahrt. Offenbar haben wir eine Abkürzung genommen. Am frühen
Nachmittag bin ich bereits in Siliguri. Ich besorge mir das Busbillet für die Fahrt nach Kalkutta.

Es soll schnelle und gute Verbindungen geben. Der Bus fährt aber erst um 19.30 Uhr. Sieben
Stunden Wartezeit bei dieser brütenden Hitze! Was soll ich während dieser Zeit machen? Den
ganzen Nachmittag im Busbahnhof auf einer Bank sitzen? Ach, wie mühsam ist doch das
Reisen! Manchmal habe ich wirklich die Nase voll. Ein Schlepper will mich überreden in ein
Hotel zu gehen, wo man angeblich für 2000 Rupien mit jungen Nepalesinnen zusammen sein
kann. Auch das noch! Um die Zeit einigermassen angenehm bis zur Abfahrt verbringen zu

können, miete ich mir in der Nähe des Busbahnhofs ein Zimmer. Obwohl der Ventilator auf
der höchsten Stufe läuft, ist es drückend heiss. Doch wenigstens kann ich mich ein wenig
entspannen. Gerade in solchen Momenten schätz man es sehr, einen Walkman mit meiner
Lieblingsmusik dabei zu haben. Unzählige Male höre ich mir die wunderschönen Melodien
"Anak" von Freddie Aguilar (Philippinen) und "Talee sai" von Pongpat (Thailand) an. Mit Musik
kann man die Reisestrapazen etwas vergessen, die Zeit geht auch schneller vorbei. Als es Zeit
wird, sich zum Busbahnhof zu begeben, fegt ein sintflutartiges Gewitter über die Stadt.
"Kolkatta?, Kolkatta?", so heisst Kalkutta. Ich nicke und werde zum Bus hingewiesen. Ich bin
jedoch noch zu früh. Ich komme ins Gespräch mit jungen Burschen die Uhren und Parfums

verkaufen, ein Auge dabei immer auf das Gepäck haltend. Man kann so schnell abgelenkt
werden und hop, schon ist eine Tasche weg. Wertvolles, ausser dem Fotoapparat würde ihnen
nicht in die Hände fallen, doch schon nur der Verlust der Dias wäre für mich eine Katastrophe.
Die ersten Passagiere steigen in den Bus ein. Ich kontrolliere zweimal ob mein Rucksack auch
wirklich eingeladen wurde. Am sichersten ist es immer, ihn zu hinterst im Gepäckfach zu
versorgen. Aber eine 100% Garantie, dass er am anderen Morgen noch vorhanden ist, gibt es

natürlich nicht. Es braucht nur ein Passagier während der Nacht auszusteigen und ihn
mitlaufen zu lassen. Nur, ein Inder mit einem Rucksack, der würde ja auffallen und sich auch
sofort verdächtig machen.


Der Bus füllt sich langsam. Die Wartezeit bei dieser Hitze und Feuchtigkeit ist schier
unerträglich und wird zur Geduldsprobe. Endlich wird der Motor angelassen. Nachdem der
letzte Passagier eingestiegen ist, fährt der Bus ab. Der Fahrtwind durch die offenen Fenster
macht die Reise erträglicher. Ich bevorzuge offene Fenster anstelle der blöden, immer viel zu



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