Page 3 - Willy Blaser - Mabuhay
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ich wohl geschafft. Für einmal regnet es in Hue nicht, es scheint sogar die Sonne. Es ist
Donnerstag. Wenn ich gleich heute Abend den Nachtbus nach Hanoi (660 Km) nehmen würde,
könnte ich am Freitag noch das chinesische Visum beantragen und damit 2 Tage gewinnen. Ich
beschliesse daher den Nachtbus zu nehmen. Das bedeutet zwar wiederum 12 Stunden im Bus
zu verbringen, doch ich fühle mich von den gestrigen Strapazen gut erholt. Busfahrten mit

Sinh Cafe klappten letzten Frühling ausgezeichnet und können nur empfohlen werden. Doch
diesmal kommen wir nicht einmal bis zum 17. Breitengrad. Wir müssen ein Rad wechseln. So
etwas kann vorkommen. Wir verlieren dadurch etwa eine Stunde. Danach gibt es nichts
besonderes mehr zu vermerken. Bei Tagesanbruch führt die Strasse durch eine unendliche
Ebene von Reisfeldern. Die Ernte ist gerade im Gange. Ende Oktober war sie auf 760'000 Ha,
etwas mehr als 60% der Reisfelder im Norden des Landes, bereits beendet. Aus der
ehemaligen verschlafenen Provinzhauptstadt ist heute eine moderne Stadt geworden.

Zahlreiche neue Gebäude säumen die Boulevards Eingangs Hanoi. Der Verkehr ist fast so
schlimm wie in Ho Chi-Minh City. Statt um 07.00 Uhr kommen wir erst um 10.00 Uhr an. Bis
ich im Hotel bin ist es 11.00 Uhr und bis ich mich ein wenig über die Weiterfahrt nach China
orientiert habe, wird es Mittag. Zu spät um das Visum zu beantragen. Die ganze "Juflerei" war
umsonst. Es hätte mir aber auch nicht viel genützt, denn der internationale Zug nach Nanning
(China) fährt nur dienstags und freitags. Und da die Bearbeitung des chinesischen Visums vier
Tage in Anspruch nimmt, hätte ich so oder so frühestens am Freitag abreisen können. So
verbringe ich vorerst einmal das Wochenende in Hanoi. Mein Hotel ist mitten im alten Viertel

gelegen. Das Treiben in den schmalen Gassen ist hektisch und lärmig. Hupende Motorräder
beherrschen den Verkehr. Man kann keine fünf Meter laufen ohne zu riskieren, von einem
Motorrad oder einem Cyclo (Fahrradrikscha) angefahren zu werden. Marktfrauen mit ihren
Tragkörben mit Orangen, Bananen und Longans beladen, bewegen sich elegant durch die
Gassen. Auffallend die Kopfbedeckung der Männer. Die meisten tragen eine Art grüner
Tropenhelm. So etwas habe ich im Süden nirgends gesehen. Es soll sich dabei um

Soldatenhelme handeln, erklärt man mir. Typisch für Hanois Altstadt ist die Benennung der
Gassen. Seit dem 15. Jahrhundert tragen die Gassen Namen, der früher dort ausgeübten
Gewerbe. Dies trifft für einzelne Gewerbe noch heute zu. So gibt es die Spiegelgasse, die
Juweliergasse, die Kräutergasse, die Büchsengasse, die Grabsteingasse, die Seidengasse, die
Strohmattengasse. Ich bin überrascht wie viele Touristen hier anzutreffen sind. Es sind vor
allem junge "Billigreisende". Ältere Touristen kommen eher mit organisierten Touren hierher.
2,33 Mio ausländische Touristen, davon 673'000 aus China, 230'000 aus den USA und 205'000
aus Japan, besuchten Vietnam im Jahr 2001, 8,9% mehr als im Vorjahr. Es scheint bei so vielen
Touristen doch möglich zu sein, sich jemandem für die Fahrt nach Guilin anschliessen zu

können. Doch wie es meistens ist, je mehr Touristen sich an einem Ort befinden, umso
einsamer fühlt man sich als Alleinreisender. Die meisten sind zu zweit unterwegs. Es gibt auch
zahlreiche alleinreisende Frauen. Doch wie ich schon im Frühling feststellte, ist es halt leider
so, dass Dich "weisse" Frauen nicht mit dem "Füdle" anschauen würden. Die Hoffnung, nicht




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