Page 7 - Willy Blaser - Mabuhay
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Von Thamel nach Pyukha-Tole


Der erste freie Nachmittag benütze ich gleich um meinen Briefmarkenfreund, Mr. Sthapit, zu
besuchen. Der Weg von Thamel nach Pyukha-Tole durch die engen Gassen kenne ich
inzwischen beinahe auswendig. Es hat sich nicht viel geändert, sogar gar nichts. Die grossen
Motorräder schlängeln sich nach wie vor durch die Menschenmenge und drohen die
Fussgänger zu überfahren. Hier, abseits des Touristenviertels, begegnet man nur sehr wenigen
Touristen. Es gibt daher auch keine dieser lästigen Souvenir-Verkäufer. Diese stürzen sich

ansonsten auf Dich wie Fliegen auf einen Kuhdreck! Vom Ausnahmezustand ist, ausser der
allgegenwärtigen Präsenz des Militärs (grüne Uniformen) und der Armed Police (blaue
Uniformen) nichts zu merken. Das Treiben ist emsig. Bei jedem Gang durch diese Gassen gibt
es etwas Neues zu entdecken. Diesmal sind es die die Fleischverkäufer.


Mit Herrn Sthapit, dem früheren Präsidenten der Nepalese Philatelic Association, verbindet
mich nun schon eine langjährige Freundschaft. Wir planen gemeinsam ein Vordruckalbum
„Nepal durch seine Briefmarken“ in englischer Version herauszugeben. Wie immer empfängt
er mich in seinem Haus zu Tee, Biskuits und zwei gekochten Eiern, an denen ich mir jedes Mal

die Finger verbrenne!

Die politische Situation ist natürlich auch ein Thema. Die von der westlichen Welt verurteilte

Auflösung der Regierung durch König Gyanendra wird hier mehrheitlich begrüsst. Darauf
angesprochen, fragen die meisten Leute was denn die Demokratie in den letzten 14 Jahren
dem Lande gebracht habe? Wenig wenn nichts. Was nützt eine Demokratie wenn die einzige
Sorge der Politiker es ist sich durch Korruption zu bereichern. Die Regierung war zudem
unfähig den seit elf Jahren anhaltenden Konflikt mit den Maoisten zu lösen. Soll dies denn so
noch jahrelang weitergehen? Was gibt es in einer solchen Situation für Alternativen? Diese
korrupten Politiker abzusetzen und zu bestrafen war vielleicht gar keine schlechte Idee. Der
König ist mit seinem Entscheid auf jeden Fall ein grosses Risiko eingegangen. Es geht aber auch
um seine „Haut“, denn die Maoisten wollen ja die Monarchie abschaffen. Gelingt es ihm nicht,

wie versprochen, die Demokratie spätestens bis in drei Jahren zu restaurieren, dann wird
vermutlich das Königtum ernsthaft gefährdet sein. Die Leute haben in jedem Gespräch
allgemein die grosse Hoffnung, dass bald Frieden herrschen wird. Mit der Einstellung der
militärischen Hilfe an Nepal durch Indien und die USA lachen sich aber vorerst die Maoisten
ins Fäustchen! Wenn die Lage in Kathmandu ruhig und unter Kontrolle der Armee zu sein
scheint, weiss niemand genau wie es auf dem Lande steht. Die Leidtragenden sind, wie

meistens, die Leute: werden sie nicht von der Armee verdächtigt mit den Rebellen zusammen
zu arbeiten, werden sie von den Maoisten dazu gedrängt. Dass dabei von beiden Seiten nicht
gerade zimperlich vorgegangen wird, ist wohl zu befürchten.







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