Page 16 - Willy Blaser - Auf Umwegen nach Kathmandu
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Chökyi Nyima, der seit 20 Jahren verschwunden ist. Drei Tage nachdem Seine Heiligkeit der
14. Dalai Lama den damals sechsjährigen Gedhun Choekyi Nyima als Panchen Lama bestätigte,

wurde der Knabe und seine Eltern am 17. Mai 1995 von der chinesische Regierung entführt
und sind seitdem verschwunden. Es gibt keine zuverlässige Informationen darüber, wie es

ihnen geht, oder ob sie überhaupt noch am Leben sind. Im Juni 1996 gab die Führung Chinas
zu, dass es sich in chinesischer "Obhut" befinde. Bis heute wird der Aufenthaltsort des Kindes

und seiner Familie geheimgehalten.

Während der Zeremonie wird auch, der wegen seines Geschmackes von den Touristsen so ge-

fürchtete tibetischen Buttertee serviert. Vorsichtshalber lasse ich den Becher nur halb füllen.
Beim ersten kleinen Schluck bin ich beruhigt. Der Tee mit Butter aus Yakmilch und Salz ist

trinkbar. Dazu gibt es weissen Reis, gesüsst mit Rosinen.

















Die Gedenkfeier für den seit 20 Jahren verschwundenen 11. Panchen Lama – Rechts: Tafel mit den Bilder der
108 Tibeter, welche sich aus Protest gegen die chinesische Politik und Unterdrückung Tibets selbst anzündeten.

Wir verlassen den Anlass. Sonam will zum Mittagessen Momo’s zubereiten. Wir haben gespie-

sen und machen uns bereit in die Stadt zurück zu kehren. Wir sitzen noch ein wenig am Tisch,
als plötzlich alles schüttelt. Es vergehen 2-3 Sekunden bis wir realisieren, dass es ein Erdbeben
ist. Ich will gerade sagen „Habt keine Angst, es wird gleich vorbei sein“, als es immer heftiger

bebt. Von den Nachbarnhäuser ertönten Schreie. Alle rannten aus den Häusern, auch wir. Das

Beben ist so stark, dass es mich beinahe aus dem Gleichgewicht wirft. Es zieht uns fast den
Boden unter den Füssen weg. Es scheint nicht mehr aufhören zu wollen, es bebt und bebt.
Und danach, wie meistens bei solchen Ereigissen, eine tödliche Stille. Doch immer wieder sind

kleinere Nachbeben zu verspüren. Alle Leute stehen draussen und fürchten sich von neuen Er-
schütterungen. Wir finden ein Taxi, dass uns zurück in die Stadt führt. Unterwegs sind keine

beschädigte Häuser zu sehen. War wohl doch nicht so schlimm, denke ich mir. Zurück im Ho-
tel ist einzig ein Wandspiel heruntergefallen und zerbrochen. Strom und damit TV und Inter-

net-verbindung sind jedoch unterbrochen, das Telefonnetz völlig überlastet.
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