Page 1 - Willy Blaser - Mabuhay
        P. 1
     Philippinen (RB01 / 13.03.2000)
Weihnachten 1999: ein Wunschtraum geht in Erfüllung! Nach Thailand auswandern war so ein
Traum. Seit 20 Jahren hatte ich mich mit der Kultur dieses faszinierenden Landes intensiv
befasst und sogar die Sprache gelernt. Nun stehe ich am Flughafen. Die Reise führt aber nicht
nach Thailand. Eine Begegnung anlässlich meines letzten Ferienaufenthaltes in den Philippinen
hat meine Pläne völlig durcheinander gebracht! Statt Bangkok heisst meine Destination
Manila. Nun ist es also soweit. Ich kehre der Schweiz im Alter von 51 Jahren den Rücken. Auf
diesen Moment habe ich schon lange gewartet. Ausser meiner Familie und einigen Freunden
habe ich in der Schweiz nichts mehr. Ich habe alles aufgegeben. Wie kam es überhaupt dazu?
Das Alter mag wohl eine Rolle gespielt haben. Mit dem Erreichen des 50. Altersjahrs kommt
man nicht herum über das bisherige Leben eine kleine Bilanz zu ziehen. Alleine, ohne familiäre
Verpflichtungen sinniert man aber auch über den Sinn des Lebens. Immer nur „chrampfe“, so
wie es die meisten tun, das kann es ja nicht sein. Und dann diese Steuern? Haben sie schon
mal ausgerechnet wie viele Monate Sie arbeiten müssen nur um ihre Steuern zu bezahlen?
Ich weiss, ich bin ein Privilegierter. Ich kann mir ein „Aussteigen“ erlauben, ich habe mir diese
Ausgangslage aber auch mit sparsamer Lebensweise selber geschaffen. Viele Kollegen
beneiden mich und möchten dasselbe tun. Um einen solchen Entscheid schlussendlich dann
auch zu vollziehen braucht es aber doch einen gewissen Mut. Ein solcher Entscheid ist kein
Schnellschuss, es ist das Resultat eines längeren Prozesses. Vor allem der Entscheid, sich die
Pensionskasse auszahlen zu lassen und später auf eine Rente zu verzichten, hat
lebensentscheidende Konsequenzen. Je näher die Termine der ersten wichtigen
Entscheidungen wie die Kündigung der Wohnung oder der Arbeitsstelle kamen, umso
unsicherer wurde ich. Zweifel kamen auf. Habe ich alles richtig überlegt?
Ich verlasse meine Heimat nicht aus groll. Im Gegenteil, ich habe mich eigentlich wohl gefühlt,
obwohl wir Schweizer ja immer am Meckern sind. Ich hatte Freude und Genugtuung an
meinem Beruf, konnte immer etwas sparen. Doch was nützt es mir jeden Monat etwas mehr
Geld auf dem Bankkonto zu haben, ich aber immer öfters in Depressionen falle. Nein, ich wäre
ganz gerne in der Schweiz geblieben, wenn ich in den letzten Jahren nicht so unter der
Einsamkeit und dem Misserfolg eine Lebenspartnerin zu finden, gelitten hätte. So suche ich
mein Glück anderswo. Dieses Kapitel ist für mich abgeschlossen.
Auswandern bedeutet aber auch Risiko, einen Schritt ins Unbekannte. Doch wer nichts
riskiert, kann auch nichts gewinnen. Für ein Zurück ist es nun aber zu spät. Mein Flug in ein
neues Leben startet in einer Stunde.

