Page 1 - Willy Blaser - Mabuhay
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Myanmar (RB25 / 12.04.2003)


Das Wunder von Bagan


Zum Sonnenaufgang steigen wir auf die Terrasse der Mingala-zedi Pagode. Die stimmungsvolle
Aussicht im morgendlichen Nebel über die mit tausenden von Monumenten übersäte Ebene
von Bagan ist eindrücklich, einmalig. Die UNESCO hat Bagan zum Weltkulturerbe erklärt und
nicht weniger als 2229 Ruinen offiziell registriert. Forscher schätzen die einstige Zahl der
Bauten auf 12’000! Einige Tempel besitzen wunderschöne Buddhafiguren und
Wandmalereien. Nach der Besichtigung der wichtigsten Heiligtümer habe ich jedoch die Nase
voll und es ist mir nach dem 30. Buddha eigentlich egal ob dieser nun lächelt oder nicht oder

ob nun sein Ohrläppchen bis auf die Schulter reicht. Um Maung Maung und Mi Mi nicht zu
beleidigen, überlasse ich es meiner Schwester die Besichtigung mit ihnen weiterzuführen.
Denn für die Beiden ist jede Buddhastatue von grosser Wichtigkeit. Mit Ehrfurcht knien sie
davor und beten. Sie spenden auch jedes Mal etwas Geld. Geldspenden gehört zum
Wichtigsten. Ganze Gruppen von Einheimischen sind in Bagan auf der Pilgerung unterwegs.
Frauen aus dem Süden Myanmars halten gleich bündelweise 100 Kyat Noten in ihren Händen.

Ich bleibe lieber draussen, um mit den Postkartenverkäuferinnen zu schwatzen. Die eine
erzählt voller Stolz, dass sie sieben Sprachen sprechen kann. Ich lasse sie aufzählen. “kann Dir
eine achte beibringen, Thailändisch!”, doch sie winkt ab. Tja, Thailand scheint nicht gerade so
beliebt zu sein. Von den Ausschreitungen kürzlich in Phnom Penh (Kambodscha) als die
thailändische Botschaft aus Wut von der Bevölkerung in Brand gesteckt wurde, gar nicht zu
sprechen. Wiederum schlage ich mir eine Zehe blutig. Herrgott nochmal, kann ich eigentlich
nicht barfuss gehen? Muss ich mir auch noch einen Gummischutz für meine Zehen
beschaffen? Interessiert schaut die Schar von Postkartenverkäuferinnen zu, wie mich meine
Schwester verarztet. Auch ein kleiner Junge mit einer klaffenden Augbrauenverletzung ist

dabei. Sofort nehmen wir uns ihm an. Er hat sich die Verletzung bei einem Velozusammenprall
vor einigen Stunden zugezogen. Niemand kümmert sich um ihn. Das muss doch sofort genäht
werden! Wir bringen ihn zum Rotkreuzsanitätsposten. Zu einer grossen Entdeckung wird die
burmesische Küche. Maung Maung empfiehlt uns heute das sog. Myanmar-Buffet mit
verschiedenen Curries. Burmesische Curries sind im Vergleich mit indischen mild gewürzt,
jedoch viel fettiger. Etwa 20 Schalen mit Fleisch, Gemüse und Tofu werden aufgetischt. Ein

absoluter Genuss. Und erst noch billig. Selten kostet unser Essen für 2 Personen mehr als 3000
Kyats (3 US$). Am teuersten ist das Bier: 1200 Kyats für das lokale „Myanmar“. Eine Cola-Dose
kostet 600 Kyat. Mit grosser Spannung warte ich auf den Sonnenuntergang. Maung Maung hat
uns ein ideales Plätzchen zum Fotografieren ausgesucht. Ohne Touristen, fast ohne Touristen.
Die Stimmung der spätnachmittäglichen Sonne ist fantastisch. Die roten Backsteinbauten
leuchten im warmen Sonnenlicht. Als sich die Sonne am Horizont in eine dunkelrote Kugel
verwandelt, ist das erhoffte Foto perfekt.





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