Page 8 - Willy Blaser - Mabuhay
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Manipulationen ausgesetzt, (so wie ich es absichtlich gemacht habe) und unterliegt ihnen
auch unweigerlich. Wer immer der Erzähler sein mag, er hat stets nur eine bruchstückhafte
Wahrnehmung dessen, was effektiv passiert ist, erzählt. Auch die Versuchung Personen
miteinander zu verbinden oder gar zu verschmelzen ist gross. So hat der Vogt Gessler,
womöglich gar nicht zur gleichen Zeit wie unser Held Tell gelebt.


Es gibt verschiedene Versionen. Das erste bekannte Tellenlied stammt aus der Mitte des 15.
Jahrhunderts und ist die älteste erhaltene Quelle. Die heute bekannte Version ist vor allem

durch die Tellsgeschichte im Chonicum Helveticum des Glarner Gelehrten Aegidius Tschudi
von 1550 (überarbeitet 1569/70) und durch das Bühnenstück von Friedrich Schiller von 1804
bekannt.


Ist der Bundesbrief von 1291 echt?


Ob Legende oder nicht, es war ein lang ersehnter Wunsch mal die so berühmte Hohle Gasse
zu besuchen. Die Einladung meiner Innerschweizer Philippinen-Kollegen Ifter und Comella ein
Wochenende im wunderschönen Schwyzerland zu verbringen, nehme ich dankend an. Ich
benütze die Gelegenheit auch das Bundesbriefmuseum aufzusuchen. Ein äusserst
interessanter Rundgang, der dem Besucher die Geschichtskenntnisse aus der Schulzeit nach so
vielen Jahren wieder etwas auffrischt. Ist der Bundesbrief von 1291 etwa auch eine Legende?

Anlässlich der 700 Jahre Bundesfeier (1991) wurde dieser an der ETH Zürich untersucht. Dem
Pergament wurden drei Proben entnommen, die nach der Radiokarbon-Methode (auch C14-
Methode genannt) untersucht wurden. Das Resultat besagte, dass das Pergament zu 85% in
die Zeit zwischen 1252 und 1312 und zu 15% in die Zeit zwischen 1352 und 1385 datiert
werden kann. Wohlverstanden, mit der Untersuchung wurde nur das Alter des Pergaments
untersucht. Es wurden damals weder von den Siegelstreifen noch von den Siegeln oder Tinte
Proben entnommen. Der Brief könnte daher durchaus auch später geschrieben worden sein.
Wie mir Herr Valentin Kessler vom Amt für Kulturpflege liebenswürdigerweise erklärt, gibt der
Bundesbrief verschiedene Rätsel auf. „Das Fehlen eines Ausstellungsortes wie auch eines

Hinweises auf die Person des Schreibers lassen uns weiterhin rätseln, wo der Bundesbrief
niedergeschrieben wurde. Ein schriftliches Dokument wie der Bundesbrief von 1291 war im
13. Jahrhundert vorwiegend der Kommunikation unter Schrift- und Rechtskundigen
vorbehalten. Es diente dazu, gegenüber königlichen, bischöflichen oder herrschaftlichen
Amtsstellen Ansprüche oder Konfliktlösungen festzuschreiben. Der Gebrauch von
Schriftstücken hat sich im 13. Jahrhundert in der Region der heutigen Ostschweiz und

Innerschweiz zunehmend ausgebreitet. Das heisst aber nicht, dass nun die ganze Bevölkerung
schreiben konnte. Die Kunst des Schreibens und Lesens blieb vorwiegend auf Klöster und
herrschaftliche oder städtische Verwaltungsstellen beschränkt. Für den Bundesbrief könnte
dies bedeuten, dass die lokale Führungsschicht einen Schreiber aus den Nachbarstädten oder
einen gebildeten Geistlichen aus der Talschaft Schwyz beauftragt hat, die Übereinkunft vom



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