Page 3 - Willy Blaser - Mabuhay
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Ein indischer Bahnhof
Es ist kurz vor 16.00 Uhr. In vier Stunden fährt mein Zug. Vier Stunden Wartezeit in einem
indischen Bahnhof, in dieser Hitze. Es gibt kaum etwas spannenderes. Im nachhinein weiss ich
gar nicht mehr, wie ich es geschafft habe die Zeit totzuschlagen. Auf jeden Fall gingen die vier
Stunden vorbei. Bei der Einfahrt des Zuges herrscht ein „leichtes“ Chaos. Da die Wagen nicht
nummeriert sind, weiss niemand wo er einsteigen muss. Ein Schaffner kritzelt mit einer Kreide
die Wagennummern neben der Türe auf die Aussenseite des Wagens und fixiert darunter eine
Liste mit den Namen der Fahrgästen mit den entsprechenden Sitznummern. Tatsächlich, auf
der Liste des Wagens mit der Nummer S 4 figuriert unter der Sitznummer 66M mein Name! Es
ist auf jeden Fall ein Schlafwagen, allerdings ohne Klimaanlage. Es gibt auch kein Leintuch,
Kopfkissen und keine Wolldecke. Aber das brauchen wir alles nicht. Wichtig ist, dass ich
schlafen kann. Der Preis- resp. Klasseunterschied macht sich auch bei den Fahrgästen
bemerkbar. Es sind nicht mehr die „besseren“ Inder wie bei der Hinfahrt. Es sind auch nicht
die Armen, diese würden gar keinen Schlafwagen vermögen, nein, es sind mehr einfache
Leute. Die meisten können nicht englisch sprechen. Vier nicht gerade freundliche Touristen
aus Holland und Schweden teilen das gleiche Abteil. Eine weitere Nacht vergeht so im Zug. Die
drei Ventilatoren haben meine Erkältung neu entfacht. Die Nase rinnt wie ein Wasserfall.
Draussen ist es schon lange hell. Niemand weiss wo wir sind und wie lange es noch bis nach
Kalkutta dauert. Die Fahrt zieht sich in die Länge. Wir überqueren einen grossen Fluss. Das
kann aufgrund meiner geographischen Kenntnisse eigentlich nur der Hugly sein. Bis Kalkutta
kann es also nicht mehr weit sein. Als der Zug in Dum Dum Junction anhält kann ich mich
endlich orientieren. Wir sind bereits mitten in Kalkutta, im nördlichen Stadtbezirk. Bis zum
Bahnhof Sealdah sind es nur noch wenige Minuten.
Druk Air
Der Bahnhof Sealdah ist nicht allzu weit von meinem Hotel in der Sudder Street entfernt. Die
Fahrt mit dem Scooter-Taxi kostet 50 Rupien. Es ist Samstagmorgen. Zu allererst begebe ich
mich ins Internet mit der leisen Hoffnung, dass mir die Thai International eventuell doch noch
ein Platz für Montag reservieren konnte. Nichts ist. Drei Wochen in Kalkuta auf den Flug
warten zu müssen wäre wohl schon ein bisschen lange. Ich habe daher keine andere Wahl als
ein neues Ticket zu kaufen. So viele Möglichkeiten gibt es aber nicht. Die Flüge mit der Indian
Airlines sind bis auf eine Woche hinaus ausgebucht! Das wird ja lustig. Es bleibt eine einzige
Möglichkeit: mit der Druk Air! Druk Air? Was ist denn das? Noch nie gehört. Für Montag wäre
ein Platz erhältlich. Kostenpunkt: 132 US $. Der Verkäufer versichert mir, dass bis jetzt noch
keine Maschine abgestürzt sei! Immerhin ein Argument das Vertrauen erweckt. Nach
zweimaligem Leerschlucken kaufe ich das Ticket der Royal Bhutan Airlines. Was die wohl für
Maschinen fliegen?

