Page 7 - Willy Blaser - Mabuhay
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Alters aus Sikkim wollen nach Gangtok. Auch mein Nachbar, der soeben von einem einjährigen
Einsatz im Kosovo zurückkehrt, will nach Gangtok. Und dann noch ein älteres indisches
Ehepaar. Er, ein grosser schlanker Mann, fällt vor allem durch seine lange Finger auf. Die
Finger seiner linken Hand sind mit grossen Ringen geschmückt. In der typischen indischen Art
sitzt er im Schneidersitz auf der Pritsche. Mein Nachbar sorgt für Unterhaltung. Er erzählt von

seinem Einsatz. Alle Fahrgäste hören ihm aufmerksam zu. Zwischendurch schallendes
Gelächter. Die Tageszeitungen werden verteilt. Man vernimmt die letzten Nachrichten nach
dem Attentat in den USA. Interessant die Meinung der Inder, welche zu den Amerikanern
stehen. Sie beschuldigen Pakistan sich wohl der Anti-Terror Koalition angeschlossen zu haben,
jedoch den Terror und den Guerilla-Krieg in Jamnu-Pakistan zu unterstützen. Für Pakistan sind
die Kämpfer in Kaschmir jedoch keine Terroristen sondern "Freiheitskämpfer". Eine böse
Reaktion gibt es auf den Aufruf des Imam der Jama Mashid Moschee in Delhi (die grösste

Moschee Indiens - es gibt in Indien etwa 80 Mio Muslime), die Taliban zu unterstützen. In
einem Artikel fordert ein Journalist die Regierung auf, den Imam zu verhaften. Inzwischen wird
das Mittagessen serviert. Zuerst gibt es einen Aperitif. Zwei Salzstängeli ohne Salz mit einer
Tomatensuppe. So sieht es wenigstens aus. Das wie bei einem Flug abgepackte Essen ist
überraschend schmackhaft. Es gibt eine Gemüsesuppe, Reis mit Poulet und Dal (Linsen),
Chapati (dünne gebackene Fladen aus Mehl und Wasser) sowie ein kleiner Tonkrug Curd
(Yoghurt). Zum Dessert erhalten alle noch ein "Chübeli" Kwalitiy Eiskrem. Nach dem Essen ist
der Gang mit Tabletts überstellt. Es wird jedoch relativ schnell abgeräumt und sauber

gemacht. Ich bin auch überrascht, wie sauber das WC ist. Mein Nachbar erzählt noch immer
von seinen Abenteuern. Die hübscheste der drei Frauen scheint er in seinen Bann gezogen zu
haben. Zwischendurch rülpst der alte Inder mehrmals so laut, dass es einem fast schlecht wird.
Gegen 17.00 Uhr wird die Bestellung für das Nachtessen aufgegeben. Was es wohl diesmal
geben wird? Man hat die Wahl zwischen vegetarisch und nicht-vegetarisch. Es beginnt wieder
mit dem gleichen Aperitif. Auch das Essen ist haargenau das gleiche. In der Zwischenzeit ist es

draussen dunkel geworden. Zeit um die Liegesitze einzurichten. Die Leute legen sich nach und
nach zum Schlafen hin. Der alte Inder ist so gross, dass er Mühe hat, sich in die Koje zu legen.
So vergehen acht Stunden. Zum Frühstück wird zum 3. Mal das gleiche serviert! So langsam
verleidet einem dieser "Fras" Die Fahrgäste bereiten sich langsam vor, ihr Gepäck zu den
Ausgangstüren zu schleppen. Mein Nachbar hat eine unmenge Gepäck aus Europa
mitgebracht, u.a. einen Fernsehapparat. Es beklagt sich, dass er für seine Importe am Zoll
12'000 Rupien bezahlen musste. Anscheinend sind wir nicht mehr weit von NJP (New
Jalpaiguri) entfernt. Nach 25 Stunden und 20 Minuten erreichen wir unsere Destination. Der
Zug fährt noch sechs Stunden nach Kalkutta weiter.


Darjeeling im Nebel


Diesmal ist zum Glück nichts geklaut worden, ich wundere mich einmal mehr. Ich
verabschiede mich von den Leuten. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Grosse Sorgen mache



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