Page 11 - Willy Blaser - Mabuhay
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Ja. Das war aber dummes Gerede von ein paar Journalisten die vom Bergsteigen keine Ahnung
hatten. Bei einer Seilschaft erreicht man ein Gipfel immer zusammen. Um diesem Gerede ein
Ende zu setzen, wurde offiziell bekannt gegeben, dass beide den Gipfel fast gleichzeitig erreicht
hatten. Doch durch das Wort “fast” wurden noch mehr Fragen gestellt.


Einige Leute zerbrachen sich auch den Kopf darüber, welche politische Botschaft er mit der
Anordnung der Flaggen zu vermitteln versuchte, die er auf dem Gipfel hoch gehalten hatte.


Stimmt. Die Nepalesen nahmen Anstoss daran, dass die britische Fahne über der ihren wehte,
anderseits fanden sie es gut, dass die indische noch tiefer placiert war.


Als ob der nationalistische Druck nicht genug gewesen wäre, bedrängten ihn auch fromme
Hindus von spirituellen Erlebnissen oder Visionen bei seiner Besteigung zu berichten.


Im Glauben der Hindus, ist der Everest die Wohnstätte des Gottes Shiva. Mein Vater wurde
nach der Besteigung von vielen Hindus gefragt ob er Shiva gesehen habe.


All diese Verehrung die Dein Vater erfuhr wurde ihm aber bald zur Last


Ja. Er bemühte sich sehr dieser möglichst aus dem Weg zu gehen.


Wie war Euer Familienverhältnis vor der erfolgreichen Besteigung?


Vor der Besteigung hatte er mit seiner Familie und Verwandten kaum Kontakt. Dies änderte
sich schlagartig. Plötzlich besuchten ihn Brüder, Schwestern, Cousins, Tanten, Onkeln, Neffen
und allerlei Verwandte, von denen er bisher nie etwas gehört hatte. Alle kamen und sagten:
“Ich bin ein Cousin oder ich bin ein Schwiegersohn”. Sie liessen sich bei ihm nieder und er
sorgte für sie. Was konnte er anders tun. Weil er bekannt war, dachten alle er sei reich. Doch

das war er nicht.

Dein Vater hat 22 Jahre treu dem Himalayan Mountaineering Institute als Verantwortlicher für

die Ausbildung gedient. Dennoch scheint er von den indischen Bergsteigen nicht die
gebührende Anerkennung erhalten zu haben?


Dass ihn die indischen Bergsteiger, nachdem was er alles für sie gemacht hatte, nicht auf ihren
Expeditionen wollten, traf ihn sehr. Auch im HMI setzte sich niemanden für ihn ein. Sein Lohn
war bei seinem Rücktritt noch immer gleich wie vor 22 Jahren. Er bekam auch keine Pension.
Natürlich hätte er selbst eine Lohnerhöhung, eine Pension oder ein Kostgeld beantragen
können, so wie er es für seine Leute getan hatte. Doch mein Vater war kein Bettler. Er hat sein
Versprechen gegenüber Pandit Nehru, “1000 Tenzing’s” auszubilden eingehalten, doch in

Indien war er immer “out of the show”.



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