Page 3 - Willy Blaser - Mabuhay
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Restaurant Zürich mit Taxifahrer Singh


Als ich ins Hotel zurückkomme herrscht bei der Reception grosse Aufregung. Im Fernsehen
läuft die Übertragung des Cricket-Matches Indien gegen Australien. Alle verfolgen mit
Spannung und Begeisterung das Spiel. Für einige Minuten schaue ich mit. Dass man sich für so
etwas begeistern kann, bleibt mir unverständlich. So ein doofes Spiel habe ich noch selten
gesehen. Ich weiss, typisch wieder diese Vorurteile. Wenn wir Schweizer etwas nicht kennen
oder nicht verstehen, ist es einfach doof und blöd. Vielleicht ist ja Cricket ganz interessant,
würde man die Spielregeln kennen. Es gibt schliesslich ja auch Leute die nichts vom Fussball

halten und nur den Kopf schütteln wie zehn erwachsene Männer einem kleinen Ball während
90 Minuten nachrennen!


So endet mein erster Tag in Kalkutta. Bisher war es gar nicht so schlimm.


Stadt der Widersprüche

Wer erstmals seine Füsse auf den indischen Kontinent setzt, dem sei geraten dies nicht gerade

in Kalkutta zu tun, wo Indien's erschreckendes Gesicht so überaus deutlich zu Tage tritt. Dies
ist nicht von mir, sondern steht in meinem Reiseführer. Weiter wird empfohlen, man soll sich
Kalkutta nur nach guter Vorbereitung und bereichert durch Erfahrungen mit der fremden Welt
Indiens, nähern. Der Kulturschock wäre zu gross. Kalkutta's Geschichte ist relativ kurz. Als
erste hatte die Portugiesen, ausgehend von ihrer Basis in Goa, Interesse am grossen Strom im
Osten, der als Verkehrs- und Handelsweg des bengalischen Tieflandes gute Geschäfte
versprach. Die Handelsposten konnten sich jedoch gegen die Moguln nicht halten und
mussten zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgegeben werden. Die Engländer hatte eine

glücklichere Hand. Als der Schiffsarzt Gabriel Boughton 1636 eine Tochter Shah Jahans zu
heilen vermochte, erhielt er als Gegenleistung das Privileg freien Handels in Bengalen. Mit der
Gründung einer Handelsniederlassung durch die East India Company in Hugly war 1642 der
Keim für die Millionenstadt Kalkutta gelegt. Der Handel florierte. Die Beziehungen zwischen
den Briten und den Moguln verschlechterte sich aber drastisch und führte sogar zu einem
vorübergehenden Handelsverbot. Realisierend, dass den Moguln dadurch wichtige




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